Forschungsvereinigung Räumliche Elektronische Baugruppen 3-D MID e.V.
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Additive Fertigung laserdirektstrukturierter PBT-Bauteile

Erfolgreicher Abschluss des AiF-Projektes 473 ZN

Im Dezember 2015 wurde das Projekt „Additive Fertigung laserdirektstrukturierter PBT-Bauteile“ (Kurztitel: AFDiBa) abgeschlossen. Das IGF-Vorhaben 473 ZN der Forschungsvereinigung Elektronische Baugruppen wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Bearbeitung des Projekts erfolgte durch den Lehrstuhl für Kunststofftechnik (LKT) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen.

Motivation und Ziele

Räumliche spritzgegossene Schaltungsträger (sog. Mechatronic Integrated Devices = MID) ermöglichen eine Integration von mechanischen und elektronischen Funktionen in einem Kunststoffbauteil. Sie bestehen aus einem Schaltungsträger und aus einem darauf abgestimmten Schaltungslayout. Geprägt von kleiner werdenden Einbauräumen für Funktionen und steigenden Funktionsdichten rücken flexible Verfahren der Schaltungsapplikation und der Bauteilfertigung in den Fokus industriellen Interesses. Durch die konsequente Nutzung der Technologien MID und additive Fertigung soll die Akzeptanz beider Technologien zur Fertigung von Prototypen und Endprodukten gefördert werden. Ziel des Forschungsvorhabens ist daher die Weiterentwicklung der MID-Technologie durch eine schnelle und flexible Fertigung funktionaler 3D-MID-Produkte mittels selektiven Lasersintern (SLS) in Kombination mit dem LPKF-LDS®-Verfahren (Laserdirektstrukturierung) als Metallisierungsverfahren (Abbildung 1). Durch die hohe Flexibilität der Verfahren kann eine Optimierung bestehender Produktansätze bereits während der Entwicklung stattfinden und das Time-to-Market deutlich verkürzt werden.

Innovativ ist dabei auch der Ansatz einer Additiven Fertigung mittels SLS anhand von LDS-Pulverwerkstoffen. Bis dato erfolgt die Funktionalisierung von additiv gefertigten Prototypen mittels Laserdirektstrukturierung (LDS) nur in Kombination mit einem vorher aufgetragenen Lacksystem. Daher wurden im Rahmen des Projektes verschiedene Ansätze zur Herstellung von funktionellen LDS-Pulverwerkstoffen verfolgt, die auf den Werkstoffen PBT (Pocan B1300, LANXESS AG) und PA12 (PA2200, EOS GmbH) basierten. Dabei kamen die LDS-Additive vom Typ2 und Typ4 (LPKF AG) zum Einsatz. Die so hergestellten Probekörper konnten direkt mittels Laserdirektstrukturierung (LDS) strukturiert werden. In einem außenstromlosen Bad wurde an den so aktivierten Bereichen ein Schaltungslayout aufgebaut. (Abbildung 2).

Untersuchungen und Ergebnisse

In diesem Projekt konnte erstmals gezeigt werden, dass die Additive Fertigung mittels selektiven Lasersinterns, basierend auf funktionalisierten Pulverwerkstoffen und die anschließende Strukturierung auf den hergestellten Grundkörpern durch das Verfahren der Laserdirektstrukturierung zur Applikation von Schaltungslayouts möglich ist. Die Herstellung funktionaler Schaltungsträger mittels selektivem Lasersintern in Kombination mit einer laserunterstützten Leiterbahnerzeugung auf Basis des LPKF-LDS®-Verfahrens bietet weiterführend die Möglichkeit einer anzustrebenden Prozessintegration beider Verfahren zur weiteren Reduzierung von Verfahrensschritten. Anhand der durchgeführten Untersuchungen konnte der Nachweis erbracht werden, dass eine Realisierung der in Abbildung 1 skizzierten Prozesskette möglich ist. Dabei war der Ansatz über das Trockenmischen von kommerziellen PA12-Pulverwerkstoffen (PA2200) oder kryogen zerkleinerten PBT-Versuchswerkstoffen (Pocan B1300) mit den entsprechenden LDS-Additiven zur Erzeugung strukturierbarer Pulverwerkstoffe am zielführendsten. Die Ergebnisse zeigten, dass ab einem Additiv-Füllgrad von 8 Gew.-% eine ausreichende Oberflächenaktivierung ermöglicht wird. Die ermittelten Schichtdicken der applizierten Metallisierung betragen durchschnittlich ca. 6 µm. Im Vergleich dazu wies bei diesen Messungen die Referenz, welche aus einem kommerziellen LDS-Werkstoff mittels Spritzguss hergestellt wurde, eine Schichtdicke von 6,41 µm auf. Die daraus resultierenden Metallisierungsindizes (Verhältnis der Metallschichtdicke eines Probekörpers zu dem Referenzprobekörper) mit Werten über 0,7 attestieren den Proben eine ausreichende Metallisierung (Abbildung 3). Die große Standardabweichung der Messungen verdeutlicht dabei die aufgrund der Additiven Fertigung lokal auftretenden qualitativen Unterschiede, die unter anderem auf die raue, prozessbedingte Oberfläche zurückgeführt werden kann. Gleichermaßen führt diese Oberfläche zu einer überdurchschnittlichen Haftfestigkeit zwischen Kunststoffträger und Leiterbahn. Die ermittelten Werte von ca. 1,0 – 1,6 N/mm² liegen damit deutlich im oder über dem Bereich einer hohen Ausgangshaftfestigkeit nach DIN IEC 326 (0,6 – 1,1 N/mm²).

Die Ursachen, die zur Ausbildung der hohen Haftfestigkeit der Metallisierung auf den mittels selektiven Lasersintern hergestellten Proben führt, wird in Abbildung 4 verdeutlicht. Es zeigt exemplarisch den senkrechten Schnitt durch einen getesteten PBT-Probekörper des Streifenabzugtests mittig des geprüften Streifensegments am Ort des Haftungsversagens der Leiterbahn. Es wird deutlich, dass sich durch die vielen Hinterschnitte an der Oberfläche der Probekörper, die sowohl durch die Strukturierung als auch durch den additiven Herstellungsprozess erzeugt werden, viele Punkte zur Verankerung der Metallisierung ergeben. Dadurch wird eine entsprechend hohe Haftfestigkeit der Leiterbahn auf den Kunststoffträgern erreicht. An mehreren Stellen der Abbildung 4 ist zu erkennen, dass vielerorts ein Versagen des Grundwerkstoffes vor der Leiterbahn stattfindet. Dies lässt sich in der Detailaufnahme an herausgerissenen Stücken an der Trägeroberfläche erkennen. Oftmals umschließt die Metallisierung oberflächennah auch ganze Bereiche der getesteten PBT und PA12-Probekörper. Dies lässt darauf schließen, dass die Porosität und die Rauheit von lasergesinterten Bauteilen die Haftfestigkeit von Leiterbahnen positiv beeinflussen. Dieser positive Effekt ist unter anderem auf den Mischprozess zur Herstellung der funktionalisierten Pulverwerkstoffe zurückzuführen. Entsprechende REM-Aufnahmen (Abbildung 5) zeigen, dass die Oberflächen der PBT-Trägerpartikel mit LDS-Additiv benetzt wurden. Analog dazu verhalten sich die analysierten PA12-LDS-Pulver. Allerdings im Falle der PBT-LDS-Pulver die Benetzung der Oberfläche mit LDS-Additiv vorwiegend an scharfen Bruchkanten oder Einkerbungen auf den Trägerpartikeln statt. Dies lässt sich auf den Einsatz des Fließhilfsmittels Aerosil200 zurückführen, welches zur Verbesserung der Fließfähigkeit von kryogen zerkleinerten Pulverwerkstoffen eingesetzt wird und aufgrund seiner im Vergleich zum LDS-Additiv geringeren Partikelgröße (ca. 12 nm) die Oberfläche stärker benetzt, wodurch der Benetzungsgrad mit dem LDS-Additiv sinkt. Über entsprechende Untersuchungen an additiv gefertigten Probekörpern konnte nachgewiesen werden, dass die LDS-Additive auch nach der Fertigung an den Rändern ehemaliger Partikel existieren. Damit kann ausgeschlossen werden, dass sich das LDS-Additiv während des Fertigungsprozesses im Schmelzbad sedimentiert oder aufschwimmt. Durch den Trockenmischprozess lagert sich daher das LDS-Additiv dort an, wo es für die Strukturierung und Metallisierung der Proben benötigt wird. An der Oberfläche von Trägerpartikeln, die nach dem Fertigungsprozess die Oberfläche der Bauteile abbilden.

Herausforderungen

 

Herausforderungen innerhalb des Projektes haben sich vor allem bei der Verarbeitung der LDS-Dryblend-Systeme durch das additive Fertigungsverfahren selektives Lasersintern ergeben. Während sich aufgrund der Anforderungen an prozessfähige Pulverwerkstoffe nur der Ansatz einer kryogenen Zerkleinerung mit anschließendem Trockenmischprozess als zielführend herausgestellt hat, weisen diese Pulver infolge höherer Füllgrade an LDS-Additiv ein verändertes Prozessverhalten auf. So ist es bis dato nicht möglich, diese Pulver auf kommerziellen Anlagensystemen prozesssicher zu verarbeiten. Einschränkend wirken hier vor allem auftretende thermische Effekte, die die Temperaturen des Verarbeitungsfensters nach unten (Curling -> Kristallisationseffekte) und nach oben (lokales Aufschmelzen) begrenzen. Daher ist für die Verarbeitung dieser LDS-Werkstoffe eine möglichst homogene Temperaturverteilung im Bauraum essentiell. Durch die prozessseitigen Einschränkungen konnte das Ziel des Vorhabens nur zum Teil erreicht werden, da die Freiheitsgrade bei der Komplexität von Produkten nicht ausgeschöpft werden konnte.

 

Ausblick

 

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der erreichten Metallisierung und der mechanischen Eigenschaften ist es geplant, in einem Anschlussprojekt weiterführend die Integration des LPKF-LDS®-Verfahrens in den additiven Fertigungsprozess voranzutreiben. Zur Realisierung einer reproduzierbaren Ausgangslage bei der Verarbeitung als Basis für eine Prozessintegration werden aktuell zwei Ansätze verfolgt. Ein erster Ansatz zur Verbesserung der Verarbeitung durch die Reduzierung der Füllgrade infolge einer verbesserten Benetzung der Trägerpartikel durch neue LDS-Additive zeigte erste positive Ergebnisse. Ein weiterer verfolgter Ansatz ist das lokale Auftragen der pulverförmigen LDS-Additive im Fertigungsprozess nach der Belichtungsphase, da somit auf bestehendes Know-how im Umgang mit bekannten Werkstoffen und deren Verarbeitung zurückgegriffen werden kann.

 

Publikationen im Rahmen des Projektes

 

[a] Gath, C.; Drummer, D.: Studie zur Umsetzbarkeit der Laserdirektstrukturierung von lasergesinterten Bauteilen, In: RapidTech 2015; (Hrsg:) Tagungsband / Digital Proceedings RapidTech 2015, Erfurt, 2015, S. 1-12.

[b] Gath, C.; Drummer, D.: Studie zur Umsetzbarkeit der Laserdirektstrukturierung von lasergesinterten Bauteilen, In: Neue Entwicklungen in der Additiven Fertigung, Springer-Verlag, Berlin, 2015, S. 93-106.

[c] Gath, C.; Wudy, K.; Drummer, D.: Thermisches und optisches Verhalten LDS-funktionalisierter Pulver für das selektive Lasersintern, In: Rapid-Tech 2016; (Hrsg:) Tagungsband/Digital Proceedings RapidTech 2016, Erfurt, 2016, eingereicht und akzeptiert

 

 

Kontakt

 

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

Lehrstuhl für Kunststofftechnik (LKT)

Dipl.-Ing. Christian Gath

Am Weichselgarten 9

D-91052 Erlangen

Tel.: +49 9131 85297-35

Fax.: 09131 85297-09

gath@lkt.uni-erlangen.de

www.lkt.uni-erlangen.de

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