Beschreibung
Das Glaukom stellt weltweit die häufigste Ursache für das Erblinden dar und ist mit einer Prävalenz von 2-4% der über 65-jährigen in Deutschland verantwortlich für jährlich 1000 Neuerblindungen. Diese haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Betroffenen, sondern verursachen einen wirtschaftlichen Schaden im Gesundheitssystem. In Hochtechnologienationen wie Deutschland, in der die Gesellschaft zunehmend überaltert, wird die Zahl der vom Glaukom Betroffenen weiter steigen. [1]
Bei der Krankheit degenerieren neuronale Ganglienzellen im Sehnerv durch eine Unterversorgung mit Nährstoffen, was schlussendlich zur Erblindung des Betroffenen führt. Ein erhöhter Augeninnendruck (IOD) ist ein wesentlicher Risikofaktor und seine Senkung beschreibt den einzigen medizinischen Ansatz zur Behandlung, wobei die verlorene Sehfähigkeit nicht wiederhergestellt werden kann. [2] Für die optimale Diagnose und Therapieplanung des Glaukoms ist die Erfassung einer Tagesdruckkurve erforderlich. Hierfür muss das Messprinzip sehr schonend für die Patient:innen sein, da sehr häufig Messungen durchgeführt werden. Deshalb ist das Messprinzip am besten kontaktlos und idealerweise von Patient:innen selbstständig im häuslichen Umfeld verwendbar. Da es bisher noch keine Heilungsmöglichkeiten für das Krankheitsbild gibt, sondern nur verzögernde Therapieformen, ist die frühzeitige Diagnostik und die kontinuierliche Überwachung der kosteneffizienteste und vielversprechendste Weg für Patient:innen und Kostenträger:innen.
Der überhöhte Augeninnendruck schwankt über den Tagesverlauf hinweg stark, weshalb der Druck kontinuierlich überwacht werden muss. Hierfür stehen mehrere Technologien zur Verfügung, die jedoch bisher nur in der Arztpraxis eingesetzt werden und/oder das Auge mit einem Stempel mechanisch deformieren, um den aktuellen Druck zu messen. Diese Messverfahren können nicht selbst durchgeführt werden und sind für das Auge medizinisch belastbar, da sie nicht berührungslos sind und eine Betäubung der Hornhaut erforderlich ist. Dadurch eignen sich diese Messverfahren nicht für häufige Messungen zur Erfassung von tagesdynamischen Druckschwankungen.
Um die Anwender:innen zu schützen, wurde am BIMAQ ein Konzept erarbeitet, bei dem der IOD kontaktlos aus der Schwingungscharakteristik des Auges bestimmt wird. Das Prinzip wird als Selbsttonometer umgesetzt. Da die Messung indirekt erfolgt und von der Handhabung des Geräts abhängig ist, sollen die Ergebnisse über zusätzliche Sensorik und durch maschinelles Lernen (ML) abgesichert werden. Dies stellt den Kern dieser Forschungsarbeiten dar.
Forschungsziel
Das Ziel des Forschungsvorhabens besteht in der Präzisierung und Absicherung des kontaktlosen Messverfahrens des Selbsttonometer. Dafür wird das bisher indirekte Messverfahren, bei dem die Rückwirkung der aus dem Anregungssignal resultierenden Corneabewegung auf die Luftsäule und auf das Mikrofon erfasst wird, jetzt um die direkte optische Erfassung der Corneabewegung erweitert. Durch die präziseren Sensordaten ist es möglich, die Signalauswertung zu verbessern und zusätzlich Fehlversuche zu identifizieren, um dem Nutzer unmittelbar Feedback zur durchgeführten Messung zu geben. Dafür muss die Positionierung und Miniaturisierung der Sensoren betrachtet und eine grundlegende Datenmenge erzeugt werden, die als Basis für die ML dient. Diese Arbeiten zielen für handgehaltene Selbstmessungen auf Messunsicherheiten von maximal ±5 mmHg (k=2) ab, um mit dieser schonenden Messmethode die Voraussetzungen für ein erfolgreiches medizinisches Zulassungsverfahren erfüllen zu können.
Nutzen und wirtschaftliche Bedeutung für KMU
Weltweit sind rund 50 Millionen Menschen an Glaukomen erkrankt. Zur Therapie werden in Europa jährlich ca. 76.800 Stent zur Reduktion des Augeninnendrucks eingesetzt, was einem Marktvolumen von 38,4 Millionen Euro entspricht. Die Kosten für diese Eingriffe können reduziert werden, indem frühzeitig eine kontinuierliche Überwachung mit entsprechender Medikation erfolgt. Hieraus ergibt sich das Marktpotenzial für das berührungslose Selbsttonometer. Auf dem Markt befindliche Selbsttonometer, die den Druck über eine aufprallende Sonde messen, werden in einem Preissegment von rund 3.000 Euro verkauft. Unter der Annahme, dass die Hälfte der operativ behandelten Patienten den Eingriff mit einem Selbsttonometer verzögern oder sogar umgehen kann, ergibt sich ein europaweites Marktpotenzial von rund 115 Millionen Euro. Das Potenzial zur Verbesserung der Versorgungssituation zeigt sich auch im Projekt SALUS des Universitätsklinikums Münster. Aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung im Bereich der Medizintechnik ist zu erwarten, dass das Marktpotenzial in den kommenden Jahren weiter ansteigt.
Die Wertschöpfung für die beteiligten KMU kommt durch die unterschiedlichen Ausprägungen der Beteiligten und deren Vernetzung zustande, von der sowohl Zulieferer als auch in Verkehr bringende Unternehmen von Soft- und Hardware profitieren. Zudem kann einigen Unternehmen der Einstieg in den streng kontrollierten Markt der Medizintechnik ermöglicht werden, was die Konkurrenzfähigkeit beteiligter KMUs deutlich erhöht. Durch den Einsatz von ML können bereits während der Messung falsche Anwendungen und eine dadurch entstehende ungültige Messung erkannt und an den User zurückgemeldet werden. Somit werden neue Qualitätsstandards zur Augeninnendruckmessung erschlossen, die das Potenzial haben, den aktuellen Goldstandard ablösen. Zudem ist denkbar, dass die optische Analyse der Schwingungsantwort der Cornea die Basis für weitere Diagnosen liefert, wodurch sich die Technologie auf weitere Krankheitsbilder der Ophthalmologie ausweiten lässt.
Ein Beispielszenario ist der anschließende Marktzugang des Messgerätes durch vertreibende Unternehmen wie Tomey, die von der Erweiterung des eigenen Produktportfolios profitieren. Hardwarekomponenten wie Gehäuse, Sensoren und Elektronik werden von Weiß Umformtechnik, MicroEpsilon und/oder Sasse bezogen, wodurch diese direkt an der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Schließlich ermöglichen die Ergebnisse des Projekts für KMU die Erschließung neuer, zukunftsorientierter Märkte wie Kommunikationstechnologien für Industrie 4.0 und IoT sowie Komponenten für die Medizintechnik, welche einen zentralen Bestandteil für die Digitalisierung in diesem Bereich bilden.
Forschungsinstitute
Für weitere Kontaktdaten, kontaktieren Sie bitte die Geschäftsstelle. Siehe Kontaktdaten
- Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) - Universität Bremen
Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ)
Projekt-begleitende Unternehmen
Die Forschungsvereinigung 3-D MID e.V. sucht weiterhin nach projekt-begleitenden Unternehmen. Bei Interesse, melden Sie sich gerne bei der Geschäftsstelle. Siehe Kontaktdaten